Sonntag, 22. August 2021
Eurovelo 6
Sommer 2021: erst im letzten Moment entscheiden wir uns nach Frankreich zu reisen. In vier Wochen wollen wir den TGV von Nantes zurück nehmen. Ein sportliches Unterfangen, denn grob gerechnet sind das 1400 km. Wenn wir noch mindestens drei Tage in Nantes verbringen wollen, und, das Wichtigste: den Elefanten laufen sehen wollen, dann müssen wir die Strecke in 24 Tagen zurücklegen.

Die Route ist denkbar einfach:
Am Rhein zum Rhein-Rhone-Kanal, dann bei Mulhouse auf den EV6 bis Nantes.

Bei gutem Sommerwetter, das in diesem Sommer alles andere als selbstverständlich ist, radeln wir zum Wettersbacher Funkturm.
Till jubelt und will auf den Dachs. Das ist sein Lieblingstrail. So wird aus dem geplanten Frühstück in Ettlingen ein Mittagessen. Immer wieder fahren die Kids den oberen Abschnitt.
Nachmittags erreichen wir den extrem vollen Campingplatz in Rheinmünster. Immerhin können wir schwimmen. Die Zeltwiese ist eine Frechheit. Die Zelte stehen dicht an dicht.

Dann folgen wir dem vollen Rhein. Auf deutscher Seite radeln wir bis Kehl. Bei der Ortsausfahrt bricht die Achse von Tills Vorderrad. Die Follow-me Achse. Enttäuscht sitzen wir am Straßenrand und versuchen Ersatz zu bekommen. Wir habeb zwar einen Schellspanner dabei, aber dann muss Till selbst fahren.
Jens findet den Follow-me Frankreich Vertreter. Mit Geschäft in Kehl. Was für ein Glück! Eine knappe Stunde später, in der Till sich leider noch ein Knie aufschlägt, während wir am Spielplatz warten, setzen wir unseren Wwg fort. Spät erreichen wir den sympathischen kleinen Campingplatz in Frankreich. Wir fühlen uns viel wohler als gestern. Trotz der vielen Mücken. Die gibts es zu hunderten. Obwohl es warm ist, tragen wir lange Kleidung und Socken. Trotzdem hat jeder einige Stiche.
Die Mücken werden glücklicherweise weniger in den kommenden Tagen.


Am Rhein




Am Kanal

Wir versuchen 60km am Tag zu schaffen. Am dritten Tag ist Till etwas genervt. Zuviel Asphalt, kein Pumptrack- Laaaangweilig.
In Hombourg werden wir fündig. Ein toller Asphalt Pumptrack lässt die Herzen der Jungs für zwei Stunden Purzelbäume schlagen. 14 km kommen auf die Tagesleistung drauf!

Wir übernachten in Altkirch. Das gibt ein paar Extrahöhenmeter. Es ist ganz schön heiß und ich habe mit den letzten Kilometern zu kämpfen. Mo zuckelt locker vorne weg.

Am nächsten Morgen ist es kalt. Über Nacht ist die Temperatur um 10 Grad gefallen, dazu weht ein strammer Wind, natürlich von vorne, und es nieselt.
Tilli steckt die Hände, die schon Handschuhe tragen, in die Tasche und fällt mir bei einem Huppel vom Rad. Er schrappt sich die Backe und das Knie auf und verschüttet haufenweise Adrenalin. Es dauert eine Weile ihn zu beruhigen.
Der Wind ist übel. Manche Böen bremsen mein Gespann auf unter 8 km/h runter. Wir radeln am Kanal entlang und kämpfen uns vorwärts. Der Zug bringt uns die letzten Kilometer nach Isle sur le Doubs. Dort sind die Kids allerdings weitere 14km glücklich im Pumptrack.

Zwischen Bessncon und Dole besuchen wir auf halbem Weg eine Tropfsteinhöhle. Die Grotte d?Oselle. Weiter geht?s über Verdun sur Saone. Nette Campingplätze, durchwachsenes Wetter, einfache Strecken. Wir kommen gut voran. In Verdun gibts ein gutes Schwimmbad. Sogar mit großer Rutsche. Pünktlich am Nachmittag wird auch das Wetter wieder freundlich und wir plantschen zufrieden.

Die Campingplätze sind ganz nach unserem Geschmack: viel Platz, günstig, nicht voll. Oft sogar speziell auf Radler eingestellt, mit einem Aufenthaltsraum, Mikrowelle, Kühlschrank und Wasserkocher.

Meist führt der Weg am Kanal entlang. Das ist manchmal ganz schön langweilig. Aber autofrei. Was für ein Luxus, quasi autofrei über 1000km beschildert durch Europa zu radeln!
Der Eurovelo6 scheut allerdings Schotter. Mit etwas Vertrauen in die Karten und unsere Bereifung konnte ich über Wiesenwege einige Kilometer sparen.

Überall blühen Wildblumen. Anders als bei unserer Tour am Atlantik vor zwei Jahren sind die diesmal voller Schmetterlinge. Ab und zu auch mal eine Hummel oder eine Handvoll Bienen, aber unzählbar viele Schmetterlinge! Weißlinge, abgeflogene Ochsenaugen und Wiesenvögelchen, blauschwarze Eisvögel und einige Mauersegler. Dazu Bären, kleine gelbe und orangefarbene Falter und ein paar Pfauenaugen. Sie flattern in Schwärmen auf wenn wir vorbeiradeln. Es gibt sie also noch!


Zeltplatz von Nevers. Ein wichtiges Etappenziel an der Loire.

Seit 5 Tagen sind wir nun an der Loire. Die Städtchen beeindrucken mit ihren endlos langen, meist hübschen alten Steinbrücken. Dazu gibts Kirchen, Schlösser, alte Steine im Überfluss.


Kirche kurz vor Saumur

Schlösser, Kirchen, alte Steine, das alles gibt es hier reichlich. Hübsche Ortsdurchfahrten gratis dazu. Ein ordentlicher Wind fegt uns seit Tagen vorwärts. Orléans wird nur ein freundlicher Mittagsstopp mit Stippvisite in der Kathedrale, Picknick auf der Flusspromenade und einem leckeren Eis.
Amboise erreichen wir sonntags. Nach den friedlichen Orten der letzten Tage schreckt und die Touriflut ab. Wir wollen nur weiter. Das Da Vinci Museeum hätte mich eigentlich interessiert. Leider lese ich davon erst abends.

Tours überrascht uns wiederum positiv. Wir radeln zwar nur durch, aber die Stadt ist angenehm lebendig, Blumen und Brunnen runden das Stadtbild ab, die Radspur ist angenehm groß. Die Kathedrale ist toll, leider wird drinnen renoviert. St. Martin ist Thema vieler Fenster und Gemälde. Der war hier Bischof.

Chambord und Usse sind die beiden Schlösser, die wir besichtigen. Man muss sich einfach für etwas entscheiden, oder man kommt nicht voran. Es gibt einfach zu viel zu sehen auf der Route.


An der Loire


Schön sind wie immer auch die Radlerbegegnungen. Hervorzuheben sind diesmal die beiden ungefähr 80jährigen Schweizer, die auf dem Weg nach Westen sind. In St. Leger sur Dheune zelten sie auf unserer Zeltwiese. In den nächsten vier Tagen begegnen wir uns viele Male. Dann haben wir die beiden irgendwie verloren.
In Nevers auf dem Zeltplatz kommt mir eine Radlerin bekannt vor. Wir haben sie und ihre Freundin vor zwei Jahren in der Bretagne getroffen. Tatsächlich radeln beide kurze Zeit später an uns vorbei und - noch größerer Zufall- sind abends auf dem gleichen Zeltplatz wie wir!
Wir sprechen sie an, und in den nächsten Tagen treffen wir die beiden noch mal zur Mittagspause.
Zwei nette Engländer radeln nach Tours einkurzes Stück mit uns. Die beiden haben wir vor ein paar Tagen gesehen.Sie haben ihre geplante Route geändert und radeln nun über Nantes nach Bordeaux.

Mittlerweile sind über 20 Tage ohne Pause geradelt. Im Schnitt radeln wir 60km am Tag, meist flach und autofrei. Das Wetter könnte sommerlicher sein, manchmal radeln wir sogar langärmlig, die Kids tragen lange Hosen. Der Wind nervt. Wir haben Tischtennisschläger gekauft weil wirklich jeder Zeltplatz eine Platte hat, aber oft ist es viel zu windig. Immerhin kommt er aus Nordost, darum will ich mich nicht beschweren, wir radeln nach Westen, das zischt!

Lohnt sich der EV6? Wir finden schon. Radlerische Herausforderungen sucht man vergebens, aber es ist autofrei, tipptopp beschildert, es gibt reichlich Campingplätze, ab und zu Einkehrstopps, viele Flüsse und Kanäle, unzählige Kirchen, Museen und Schlösser, guten Wein ?..

Am letzten Tag ist die Loire fast immer an unserer Seite. Auf glattem Schotter stauben wir uns komplett ein, der Wind schiebt uns die letzten 60km nach Nantes. Wir radeln unspektakulär an Feldern, Wiesen und Kühen vorbei, passieren lange Brücken und kommen nach 22 Tagen in Nantes an.
Wie vor zwei Jahren auch bekommen wir den letzten freien Zeltplatz. (was bei ca. 14 für Zelte vorgesehenen Plaetzen aber auch schnell erreicht ist).

Nantes war das Ziel der Reise. Aber mit Rückenwind, bemerkenswert wenig Regen und keinen weiteren Pannen oder Verletzten (trotz 4 starken Pumptracks), sind wir so früh hier, dass wir noch weiter ans Meer radeln werden. Aber erst mal genießen wir Nantes!

Drei Tage verbringen wir hier. Wir besichtigen das Stadtmuseum im Schloss, essen Pommes, gehen ins Hallenbad, gehen ins Karussel und reiten den großen Elefanten.
Abends sitzen wir mit unseren netten Nachbarn, Stefan und Andrea zusammen. Die beiden haben ihren Alltag gegen ihre Räder eingetauscht und sind erst mal auf dem Weg nach Süden. Spanien, Marokko und der Rest wird sich zeigen.


Der Elefant


Auf dem Rüsseltier

Am Montag packen wir endlich alles wieder zusammen und radeln weiter. Den Radweg auf der Südseite der Loire haben sie weiter gebaut. Eine geschotterte Piste führt neben einer großen Straße entlang. Einfach und sicher geht es nun an Rezé vorbei. Damals franste sich der EV durch die Siedlungen.
Klar, wir stoppen am Dirt-Pumptrack.



Wieder mit Rückenwind folgen wir dem Wasser gen Westen. Die Loire ist hier nicht mehr frei und seicht und sandig, hier ist sie eingemauert, schiffbar und riesengroß.




In Paimb?f am Estuaire- kunstwerk gibt es noch einen Zwischenstopp mit Saft, Sprudel, Melone und Joghurt. Es ist sehr heiß, trotzdem kommen wir gut voran. In Brevin, kurz nach der großen Brücke nach St. Nazaire verbringen wir eine Nacht auf dem Campingplatz.


Die Seeschlange von St. Brevin

Am nächsten Tag, ein heißer Sommertag, buddeln wir endlich am Atlantikstrand. Wir baden, sammeln Muscheln und bauen und bauen.



Auf dem Weg nach Pornic liegt Pumptrack Nummer 5 ( der Apsphalttracks). So wird es der letzte Zug nach Nantes zurück. Tilli ist enttäuscht, dass Stefan und Andrea nicht mehr da sind.



Jetzt sitze ich bei Gewitter im Zelt. Heute geht?s für Jens und Mo mit dem TGV zurück. Till und ich fahren morgen früh. Wir haben keine vier Fahrradplätze mehr zusammen bekommen.



Bourgon-Lancy



Kanalbrücke in Briare






Eine von vielen Loirebrücken


Das Schloss Usse



Chambord


Nantes

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